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Jos Elstgeest

Die richtige Frage zur richtigen Zeit

Originaltext:
Jos Elstgeest: The right question at the right time. In: Primary science. . . taking the plunge. How to teach primary science more effectively. Edited by Wynne Harlen. London: Heinemann Educational (3)1987, p. 36 - 46.
Aus dem Englischen von Ilka Wentzcke
© Ilka Wentzcke für die Übersetzung 1987, 2001.


Was ist eine "falsche" Frage?
Aufmerksamkeit weckende Fragen
Fragen zum Messen und Zählen
Vergleichende Fragen
Handlungsfragen
Problem aufwerfende Fragen
"Wie-" und "warum"-Fragen der Lehrer
Erklärungen der Lehrer
Zusammenfassung der wichtigsten Fragen
Richtlinien für "produktive" Fragen
Richtlinien für "wie"- und "warum"-Fragen

Ein Kind warf mit einem Spiegel Sonnenlicht an die Wand. Die Lehrerin fragte: "Warum reflektiert ein Spiegel Sonnenlicht?" Das Kind wußte es nicht, schämte sich und lernte nichts. Hätte die Lehrerin gefragt: "Was geschieht, wenn du doppelt so weit von der Wand weg stehst?", hätte das Kind ihr antworten können, indem es genau dies ausprobiert hätte, und das Ergebnis an die Wand gespiegelt gesehen.

Ein anderer Lehrer ging mit seiner Klasse nach draußen, um die Umgebung zu erkunden. Sie kamen zu einem Beet mit Blumen, die er "Vier-Uhr-Blumen" nannte. Er fragte: "Warum schließen sich diese Blumen am frühen Abend und öffnen sich morgens wieder?" Niemand wußte es, auch nicht der Lehrer. Die Frage entstand durch den ‘Testreflex’, mit dem wir alle zu kämpfen haben. Der Lehrer hätte auch fragen können, ob sich dieselbe Blume, die sich nachts schließt, morgens wieder öffnet. Und die Kinder hätten einige Blumen markiert und beobachtet und wären dadurch zu einer Antwort gekommen.

Einmal war ich dabei, wie eine großartige Physikstunde praktisch baden ging. Es war eine Klasse junger Oberschülerinnen, die zum ersten Mal frei mit Batterien, Glühlampen und Kabeln hantierten. Sie waren völlig vertieft und jubelten manchmal vor Überraschung und Freude. Behauptungen wurden gestützt mit "Seht ihr?", und Probleme wurden mit "Laßt es uns ausprobieren!" gelöst. Kaum eine nur denkbare Kombination von Batterien, Glühlampen und Kabeln blieb unversucht. Dann, inmitten des Tumultes, klatschte die Lehrerin in die Hände und kündigte mit erhobener Kreide an: "Nun, Mädchen, laßt uns zusammenfassen, was wir heute gelernt haben. Emmy, was ist eine Batterie?" - "Joyce, was ist der positive Pol?" - "Lucy, wie schließt du richtig einen Stromkreislauf?" Und das "richtige" Schema wurde geschickt skizziert und beschriftet, die "richtigen" Symbole wurden hinzugefügt, und die "richtigen" Definitionen wurden hingekritzelt. Und Emmy, Joyce, Lucy und alle anderen fielen hörbar in Schweigen und schrieben gehorsam und ergeben das Schema und die Zusammenfassung ab. Was sie vorher getan hatten, schien nicht wichtig zu sein. Die Fragen standen in keinem Zusammenhang mit ihrer Arbeit. Die vielen praktischen Erfahrungen mit den Batterien und den anderen Materialien, die ihnen genügend Gesprächsstoff und Anlaß zum Denken und Fragen geliefert hatten, wurden nicht dazu benutzt, eine systematische Ordnung in die Kenntnisse, die sie gerade erworben hatten, zu bringen.

Diese LehrerInnen stellten die "falschen" Fragen, Fragen, die das Lernen der Kinder nicht voranbrachten. Aber wie erkennt ein Lehrer eine solche Frage?

Was ist eine "falsche" Frage? nach oben

Falsche Fragen neigen dazu, mit solchen harmlosen Fragewörtern wie "warum", "wie" oder "was" anzufangen. Doch das ist trügerisch, auch viele gute Fragen beginnen mit diesen Ausdrücken. Der tatsächliche Charakter der falschen Fragen liegt in ihrer Weitschweifigkeit. Es sind verbale Fragen, denen man mit vielen Worten, am besten mit gelehrten Phrasen ausgeschmückt, antworten muß. Meistens existieren die Antworten schon vor den Fragen und sind in Schulbüchern zu finden. Man kann sie außerdem von der Wandtafel abschreiben und in Übungsheften konservieren. Wenn demzufolge eine wortreiche Frage gestellt wird, suchen die Kinder nach den Worten, mit denen man sie beantworten muß, und sind absolut verloren, wenn sie sie nicht finden können. Diese Fragen sind keine Probleme, die zu lösen sind. Sie führen vom (natur)wissenschaftlichen Problemlösen weg.

Wie auch immer, eine "falsche" Frage zu bemerken, ist die eine Sache; eine "richtige" Frage zu stellen, eine ganz andere. Doch was ist eine gute Frage? Eine gute Frage ist der erste Schritt zu einer Antwort; sie ist ein Problem, für das es eine Lösung gibt. Eine gute Frage ist eine anregende Frage, die einlädt zu einer näheren Betrachtung, zu einem neuen Versuch oder zu einem neuerlichen Üben. Die richtige Frage führt dahin, wo eine Antwort gefunden werden kann: zu den realen Dingen oder Ereignissen, die untersucht werden, dorthin, wo sich die Lösung des Problems versteckt.

Die richtige Frage fordert Kinder dazu auf, die richtige Antwort lieber zu zeigen als zu sagen: sie können losgehen und sich selbst vergewissern.

Ich möchte diese Art von Fragen als produktive Fragen bezeichnen, denn sie regen zu produktiver Aktivität an. Es gibt produktive Fragen verschiedener Art. Im Laufe einer naturwissenschaftlichen Untersuchung folgen sie gewöhnlich einem bestimmten Schema, weil die "Beantwortbarkeit" eines Fragentyps von der Erfahrung abhängt, die durch das Bemühen, Fragen anderer Art zu beantworten, erworben worden ist.

Aufmerksamkeit weckende Fragen nach oben

Die einfachste Art einer produktiven Frage ist das direkte "Habt ihr gesehen?" oder "Habt ihr bemerkt?". Diese Fragen ist manchmal unverzichtbar, um die Aufmerksamkeit auf irgendein bedeutsames Detail zu richten, das leicht übersehen werden kann. Kinder achten häufig von sich aus auf diese Fragen durch ihre ständigen Ausrufe "Guck’ mal!", so daß sich der Lehrer darum nicht groß kümmern muß. Kinder stellen diese Fragen jederzeit, allerdings besonders bei der Einführung neuer Unterrichtsgegenstände. Die notwendige anfängliche Untersuchung neuer Materialien, das "Herummurksen" und das "Dir werd' ich's zeigen"- Stadium der Erforschung ist sehr stark eine "Könnt ihr sehen und bemerkt ihr..."-Situation. Die "was"-Fragen folgen natürlich dicht darauf. "Was ist es?" - "Was macht es?" - "Was sagt es über sich selbst aus?" - "Was geschieht?" - "Was finde ich innen (außen)?" - "Was sehe, höre, fühle ich?" Und einfaches Beobachten ist der Weg zu den ersten einfachen Antworten, aus denen kompliziertere Fragen erwachsen.

Fragen zum Messen und Zählen nach oben

Fragen wie "wieviel?", "wie lang?" und "wie oft?" sind Fragen zum Messen und Zählen, deren Antworten die Kinder selbst nachprüfen können. Sie können neue Kenntnisse anwenden, sie lernen, neue Geräte zu benutzen, und entwickeln Selbstvertrauen, da kein Lehrer ihre Meßmethode anzweifeln kann. Es gibt viele Situationen, in denen diese Fragen entstehen, und sie führen auf natürlichem Wege zur nächsten Kategorie von Fragen: "Vergleichende" Fragen. "Ist es länger, stärker, schwerer, mehr?" Dies sind vergleichende Fragen, und es gibt viele Arten, sie zu formulieren. Sie werden oft durch "wieviel?" eingeleitet, was einen quantitativen Aspekt hinzufügt und größere Genauigkeit verlangt.

Vergleichende Fragen nach oben

Andere, eher qualitativ-vergleichende Fragen führen zu genaueren Beobachtungen. Zum Beispiel: "In wie vielen Eigenschaften gleichen sich deine Samen und wie unterscheiden sie sich?" - Dinge können sich in vieler Hinsicht unterscheiden, wie etwa Gestalt, Farbe, Größe, Beschaffenheit, Aufbau, Markierungen und so weiter. Vorsichtig formuliert, helfen vergleichende Fragen Kindern, Ordnung in das Chaos und System in die Vielfalt zu bringen. Klassifizieren, Merkmale zuordnen, Identifizierungsschlüssel oder Tabellen mit gesammelten Daten erstellen, sind verkleidete vergleichende Fragen. Diese Fragen führen logischerweise zu einer anderen Klasse von Fragen, die Kinder veranlassen, eine abweichende Situation oder Umgebung zu schaffen, so daß sie erwarten können, ein anderes Ergebnis zu erhalten.

Handlungsfragen nach oben

Dieses sind die "was-geschieht-wenn"-Fragen, die immer wahrheitsgemäß beantwortet werden können. Sie haben einfaches Experimentieren zur Folge und versäumen niemals, ein Ergebnis zu liefern. Sie sind produktive Fragen von großem Wert und besonders geeignet für den Beginn eines Untersuchungsvorhabens im Sachunterricht. Mit ihnen kann man die Eigenschaften unvertrauter Materialien untersuchen, sowohl aus der belebten, als auch aus der unbelebten Natur, die wirksamen Kräfte herausfinden, und auf kleine Ereignisse, die stattfinden, aufmerksam werden.

Unzählige, gute Beispiele für "was geschieht, wenn ..."-Probleme können gegeben werden, die zu genauso unzähligen Ergebnissen führen, zur Zufriedenheit von Kindern und ihren Lehrern. An "was geschieht, wenn..."-Problemen arbeitend, entdecken Kinder zwangsläufig irgendeine Art von Beziehung zwischen dem, was sie tun und der Reaktion der Sache, mit der sie sich beschäftigen. Dies trägt sehr zu dem Reichtum an Erfahrungen bei, den kleine Kinder brauchen. Als Erwachsene setzen wir oft voraus, daß Kinder die Generalisierungen und Abstraktionen, mit denen wir so gleichgültig um uns werfen, mit Inhalt füllen können.

Anfangs werden Kinder nur raten und ihre eigene Methode in ihren Vorhersagen herausfinden, aber mit zunehmenden Erfahrungen werden sie gescheiter. Die Fähigkeit des Vorhersagens ist eine Voraussetzung für die Fähigkeit, mit realen oder, besser gesagt, komplizierteren problemlösenden Fragen fertigzuwerden.

Problemaufwerfende Fragen nach oben

Nach genügend Aktivitäten, die durch den gerade beschriebenen Fragentyp provoziert wurden, werden Kinder für eine neue Art von Fragen bereit sein: die anspruchsvollere "kannst du eine Methode finden, um..."-Frage. Eine solche Frage wird immer zu einer realen, problemlösenden Situation führen, auf die Kinder begeistert reagieren, vorausgesetzt, es macht für sie Sinn.

Einmal fragte ich eine Gruppe von Kindern: "Könnt ihr eure Pflanzen seitwärts wachsen lassen?" Sie hatten sich für kurze Zeit damit beschäftigt, Pflanzen in Dosen, Töpfen und anderen, seltsamen Behältnissen, hergestellt aus Plastiktüten, wachsen zu lassen. Ich war ein bißchen zu nervös und zu hastig und, ganz richtig, ich bekam die Antwort: " Nein, können wir nicht." So machten wir geduldig mit einer Menge von "was passiert, wenn..."- Experimenten weiter.

Pflanzen wurden im Nassen und im Trockenen gezogen. Sie wurden in dunkle und helle Ecken, in große Kisten und Schränke mit weißer oder schwarzer Auskleidung gestellt - verkehrt herum, auf ihre Seiten und in verschiedenen Kombinationen dieser Möglichkeiten. Mit anderen Worten, die Kinder machten es wirklich "schwer und verwirrend" für die Pflanzen. Ihre Pflanzen jedoch versäumten nie, auf irgendeine Weise zu reagieren, und ganz langsam begannen die Kinder zu realisieren, daß es eine Beziehung zwischen der Pflanze und ihrer Umgebung, die sie kontrollierten, gab. Je mehr sie die vielfältigen Wege wahrnahmen, mit denen die Pflanzen reagierten, desto mehr wurde den Kindern bewußt, daß sie mit bestimmten Methoden irgendwie das Wachstum der Pflanzen kontrollieren konnten. Die Reaktionen der Pflanzen wurden an der Art und Weise, wie sie wuchsen, sichtbar. Spitzen bogen sich nach oben, Stengel krümmten sich, Pflanzen wuchsen hoch und gerade oder verdorrten manchmal ganz und gar. Die Kinder entdeckten, daß Feuchtigkeit genauso wichtig ist wie Licht, und daß der Standort Einfluß auf das Wachstum der Pflanzen hat.

Als die Frage "Findet ihr einen Weg, um eure Pflanze seitwärts wachsen zu lassen?" später noch einmal gestellt wurde, reagierten die Kinder darauf nicht nur voller Selbstvertrauen, sondern entwickelten auch eine Vielzahl von Möglichkeiten, die alle vernünftig und originell waren und auf den neu erworbenen Erfahrungen basierten. Einige Kinder legten ihre Pflanzen auf die Seite und rollten eine Zeitung wie ein Rohr um den Topf und die Pflanze. Andere stellten einen Ständer zum Halten eines Rohres in horizontaler Lage her, in den sie die Spitze ihrer Pflanze schoben, (diese bog sich zurück). Eine Gruppe verschloß ihre Pflanze in einer Schachtel mit einem Loch, befestigte aber ein Röhrchen in dem Loch und richteten es in das durch das Klassenzimmerfenster fallende Licht. Einige banden ihre Pflanzen seitlich an einem Kreuzstab fest und befestigten sie, sobald sich die wachsende Pflanzenspitze nach oben drehte, weiter in der erwünschten Richtung.

Es ist offensichtlich, daß den "Kannst du eine Methode finden, um ..."-Fragen eine ausreichende Erkundung der Materialien, mit denen die Kinder arbeiten sollen, vorangehen muß. Die Kinder müssen erst untersuchen, welche Möglichkeiten und Grenzen es gibt, und müssen mit wichtigen Eigenschaften des Gegenstandes, den sie untersuchen, vertraut werden, besonders mit solchen Eigenschaften, die sich erst in der Interaktion mit (Sachen aus) der Umgebung zeigen. Schulbücher und Lehrerhandbücher können niemals die richtigen Hinweise darauf geben, wann Kinder in der Lage sind, sich mit formaleren, komplizierteren Problemlösungen zu beschäftigen. Dies entscheiden entweder die Kinder, wenn sie anfangen, solche Probleme von selbst anzugehen, oder der Lehrer, wenn er genügend Hinweise darauf hat, daß die Kinder zu anspruchsvolleren Aktivitäten übergehen können. Es ist wichtig, auf solche Hinweise zu achten, denn wenn sich ein Lehrer streng an eine (notwendigerweise begrenzte) Ablaufskizze in einem Lehrbuch hält, ist die Chance groß, daß die Kinder konfus werden und der Unterricht im Chaos endet.

Die "Kannst du eine Methode finden, ..."-Frage erscheint in vielen Gestalten. "Kannst du einen Mehlwurm sich um sich selbst drehen lassen?" - "Kannst du einen Gegenstand, der sinkt, zum Schwimmen bringen?" - "Kannst du Salz von Wasser trennen?" Es ist in ihrem Kern eine voraussagende Frage - eine umgedrehte, viel kompliziertere "Was geschieht, wenn..."-Frage. Eine Lösung zu finden, erfordert das Aufstellen einer einfachen Hypothese und konsequentes Nachprüfen in einer sehr direkten Art. Die Erkenntnis, daß es nötig ist, veränderliche Größen wiederzuerkennen und diese Erscheinungen zu kontrollieren, wächst ganz natürlich. Und an diesem Punkt fängt kindliche Wissenschaft an, echte Fortschritte zu machen.

"Wie" und "Warum"- Fragen der Lehrer nach oben

Schließlich folgt eine Kategorie von Fragen, der wir uns mit Vorsicht nähern sollten, da eine ernsthafte Gefahr besteht, sie zu mißbrauchen. Sie sind das, was ich "begründende" Fragen nenne, und die oft nach irgendeiner Erklärung fragen. Normalerweise neigen diese Fragen dazu, mit "wie" und "warum" zu beginnen - und darin liegt auch die Gefahr. Der ängstliche Lehrer mag sich in schlechten, aber wortreichen Erklärungen verlieren, die jedoch nicht in den Erfahrungen der Kinder verwurzelt sind. Ängstliche Kinder mißverstehen sie leicht als Testfragen, auf die sie, wie sie oft meinen, vorgefertigte Antworten geben müssen. Das Fehlen einer vorgefertigten Antwort ängstigt Kinder, wenn sie sich irren. Aber Fragen, die zum Nachdenken anregen, sind im Sachunterricht sehr wichtig, und man sollte sie niemals ausschließen. Denn schließlich ist jedes Kind als "wie"- und "warum"-Frager geboren, und wir können solche Fragen nicht vermeiden. Was wir vermeiden sollten, ist, den Eindruck zu erwecken, daß zu jeder Frage dieser Art eine richtige Antwort existiert. Fragen, die zum Nachdenken anregen, sind nicht dazu bestimmt, nur auf eine Weise beantwortet zu werden. Sie sind dazu bestimmt, Kinder zum Denken und zum unabhängigen Urteilen über ihre eigenen Erfahrungen zu bringen. Sie sind dazu bestimmt, sie zum Nachdenken über die Beziehungen, die sie entdeckt oder (wieder-)erkannt haben, zu veranlassen, so daß vorsichtig damit begonnen werden kann, Zusammenhänge darzustellen oder Verallgemeinerungen, aufgrund der tatsächlichen Ergebnisse, die sie gesammelt oder aufgedeckt haben, zu bilden.

Diese Fragen sind erwünscht, um eine Diskussion zu eröffnen, um Kinder zwanglos ausdrücken zu lassen, was und wie sie über ihre Beobachtungen und Entdeckungen denken. Die Diskussion, der Dialog, das Austauschen von Ideen helfen, neue Beziehungen zu erkennen, und sie fördern das Verstehen. Es ist wichtig, daß die Kinder offen sprechen, daß sie nicht von irgendeinem Warnsignal der Angst zurückgehalten werden, denn sogar das widersinnigste Statement kann eine Auseinandersetzung hervorrufen, und eine Auseinandersetzung führt zu einer Korrektur, vorausgesetzt, sie basiert auf begründetem und nachweisbarem Augenschein. Ein Kind kann leichter Verantwortung für seine Antwort übernehmen, wenn die Frage mit einem kleinen Zusatz präsentiert wird: "Warum, denkst du ...?"

Obwohl gerade in diesem Fall das Denken falsch und die Meinung von leidenschaftlicher Auseinandersetzung abhängig sein kann, wird die Antwort auf die Frage immer richtig sein. Das Kind weiß schließlich am besten, was es denkt. (Der gleiche Rat und mehr wird in Harlen, Darwin and Murphy, 1977 gegeben.) Vorsicht ist nicht nur dabei geboten, wie diese Fragen ausgedrückt sind, sondern auch bei der Art, wie sie präsentiert werden. Kinder, die das erste Mal mit Mückenlarven arbeiten, können wirkungsvoll von weiteren Erkundungen und Gedanken abgebracht werden mit einem verfrühten "Warum kommen die Larven an die Wasseroberfläche?" - Wie sollen sie das wissen? Vielleicht hätten sie die Frage selbst entwickelt, was ein Zeichen dafür gewesen wäre, daß sie es nicht wissen; also, warum sie fragen?

Wie auch immer, es kann gut geschehen, daß Kinder bei Mückenlarven beobachtet haben, wie sie sich immer, wenn sie von einer winkenden Hand oder einer Erschütterung des Behälters oder von einem Schütteln oder Rühren des Wassers, in dem sie sich befanden, gestört wurden, langsam nach unten zum Grund geschlängelt haben. Diese Kinder konnten auch sehen, daß die Larven immer wieder hoch kamen; sie konnten bemerkt haben, daß ihre Schwanzröhrchen direkt oberhalb der Wasseroberfläche herausragten. Sie konnten zeitlich festlegen, wie lange die Larven unter der Wasseroberfläche bleiben konnten. Immer dann, wenn die Larven hoch kamen, konnten die Kinder sie davon abhalten, indem sie den Behälter schüttelten oder an seine Seiten klopften. Und was würden die Larven tun, wenn man die Wasseroberfläche mit Papierschnipseln oder einem Stück Zellophan bedeckte? Die Kinder mußte zwangsläufig die Beharrlichkeit der Larven, die Wasseroberfläche zu erreichen, gewahr werden. Nur nach diesen und ähnlichen Erfahrungen können Kinder in eine sensible Auseinandersetzung verwickelt werden, wenn gefragt wird: "Warum, denkst du, kommen diese Larven an die Wasseroberfläche?" Erstens ist das "warum" hier leicht in "weshalb" zu übersetzen. Zweitens können die Kinder nun ihre Gedanken selbstsicher ausdrücken, denn sie haben nun etwas zum Denken und etwas, worüber sie reden können - alles auf einer Reihe von gemeinsamen Erfahrungen basierend, auf die sie verweisen können. Sie können relevantes Beweismaterial produzieren. Innerhalb desselben Rahmens von Hinweisen kann der Lehrer nun als ein Gleichberechtigter teilnehmen. Das ist wichtig, denn die Antwort "sie kommen hoch, um zu atmen" ist keineswegs eine offensichtliche. Viele Wasserlebewesen kommen niemals zum Atmen hoch, und ein Schwanz ist nicht unbedingt mit dem Vorgang des Atmens zu assoziieren. Doch der Lehrer kann auf die Notwendigkeit, Luft zu holen, hinweisen, ohne daß es für die Kinder zu einem Akt des Glaubens wird.

Es gibt einige "wie"- und "warum"-Fragen der Kinder, die hier zu berücksichtigen nützlich sind. Wir können uns den Fragen der Kinder nicht entziehen, und sie fragen häufig "warum?". Die falsche, wenn auch schmeichelhafte Erwartungshaltung vieler Eltern und Kinder gegenüber ihrem Wissen bringt Lehrer oft dazu, sich dann in unklare, exaltierte, eindrucksvoll klingende "Antworten" zu flüchten, doch den Kindern hilft das nicht weiter. Natürlich könnte man ihnen in ihrem Erfahrungsbereich Antworten geben, die sie damit verknüpfen können, aber nicht immer haben sie die entsprechenden Erfahrungen. Die Frage in leicht zu handhabende "was geschieht, wenn..."-Fragen und "laßt uns sehen, wie..."-Beobachtungen zu zerlegen, stellt zwar die Geduld der Kinder auf die Probe, bringt ihnen aber notwendige Erfahrungen, die das Verstehen ermöglichen. Auf jeden Fall ist es guter Sachunterricht.

Nichtsdestotrotz können echte Schwierigkeiten auftreten, denn es gibt viele "warum"-Fragen, die bisher einfach nicht beantwortet worden sind; andere können selbst durch die Wissenschaft nicht beantwortet werden. Zum Beispiel führen uns Fragen darüber, warum die Dinge so sind, wie sie sind, schnell ins Reich der Metaphysik oder der Theologie oder der Mythologie. Man kann hier zwar wortreiche Antworten erhalten, aber diese liegen jenseits der Grenzen der Wissenschaft, und das sollte man sich klarmachen. Doch auch im Bereich der menschlichen Wissenschaft bleiben noch viele Fragen unbeantwortet, und es gibt sogar noch mehr, bei denen der bescheidene, aber ehrliche Lehrer zugeben muß: "Ich weiß es nicht". Gut, gebt es zu, denn das ist eine förderliche Lektion für die Kinder. Wissenschaft ist mehr die Suche nach dem "warum" und "wie", als die Antwort darauf. Außerdem sind beide, "warum" und "wie"-Fragen, trügerisch. Sobald wir eine befriedigende Antwort erhalten haben, bemerken wir ein neues Problem, und ein frischer "warum"- oder "wie"-Schimmer erscheint über dem Horizont. Wir haben immer noch nicht die endgültige Antwort zu einem einzelnen, letzten "warum?" oder "wie?" erreicht, und so geht die Suche weiter. Und zu dieser Suche führen wir die Kinder hin. Eine große Anzahl "warum"-Fragen ist von ihrer Natur her eine Suche nach dem "wofür?", "zu welchem Zweck?" oder "wodurch?", und diese verweisen auf Beziehungen zwischen Struktur und Funktion. Andere "warum"-Fragen suchen nach Beziehungen zwischen Ursache und Wirkung oder fragen danach, warum Dinge sich so verhalten, wie sie es tun. Die Bemühungen der Lehrer, diese Fragen in einfachere Fragen zu zerlegen, läßt ihre wahre Natur erkennen, und die Suche nach Ergebnissen kann nun zwischen Tun und Denken abwechseln.

Das einfache "weil", von den Kindern anhand der Stärke ihrer eigenen Beweismittel und ihrer eigenen Erfahrung gut durchdacht, ist weit nützlicher und wichtiger als jeder der Gründe, die durch Erwachsene geliefert und fehlerlos zitiert werden, ohne verstanden zu sein. Auch das Verstehen eines Erwachsenen hängt von seiner "Schritt-für-Schritt"-Entwicklung ab, hervorgerufen durch eine Unmenge von Erfahrungen. Und viele von uns haben Dinge erst Jahre, nachdem wir die Freiheit zur Selbstbildung erlangt hatten, verstanden, von denen wir glaubten, daß wir sie in der Schule gelernt haben.

Erklärungen der Lehrer nach oben

Kinder können Interesse daran haben, Probleme zu lösen, die über ihren Horizont hinausgehen, entweder weil die benötigte technische Ausrüstung ungenügend ist (oder dem Zweck nicht entspricht), oder weil das erforderliche Experimentieren einfach zu schwierig oder zu kompliziert ist. Ein kluger Lehrer ist dann ein großer Gewinn und kann erheblich dazu beitragen, den Horizont des kindlichen Lernens und Wissens zu erweitern, denn dieser Lehrer kann den Umfang der kindlichen Möglichkeiten ergründen und somit die Qualität und Quantität der zu gebenden Information oder Erklärung abwägen. Wenn Kinder fragen, zeigen sie, daß sie etwas wissen wollen, und wenn sie etwas wissen wollen, sind sie interessiert. Interesse ist ein produktives Motiv, bei dem die Erklärung des Lehrers dankbar und erfolgreich aufgenommen wird. Der kluge Lehrer bemerkt auch, daß, wo Fragen auftauchen und Interesse vorhanden ist, sachbezogene Lesefähigkeit von Wert ist. Kinder werden in gute Bücher eingeführt. Sie werden dort nicht nur eine Antwort für ihr Problem suchen und finden, sie werden auch entdecken, daß andere Wissenschaftler ein solches Problem in Angriff genommen haben, und oft werden sie zu würdigen wissen, wieviel Mühe und Forschung erforderlich waren, um ein Ergebnis zu finden.

Zusammenfassung der wichtigsten Aspekte nach oben

Eine Frage enthält immer die Art von Antwort, die auf sie gegeben werden kann, schon bevor sie ausgesprochen ist. Es gibt viele verschiedene Sorten von Fragen, und ihre unterschiedliche Wirkung auf Kinder ist verblüffend. Der Zweck von Lehrerfragen sollte die Förderung der Aktivität und des Denkens der Kinder sein. Fragen, die das nicht tun (unproduktive Fragen), sind solche, die nur nach Bedeutungen von Wörtern fragen, oft nach Wiederholungen von Wörtern, die schon vom Lehrer vorgegeben worden sind, oder die in Büchern gefunden werden können.

Fragen, die zu Aktivität ermutigen (produktive Fragen), erscheinen in mehreren Arten und bilden eine Hierarchie, die die Erfahrung der Kinder widerspiegelt.

Fragen, die das Denken fördern, beginnen oft mit "warum" oder "wie" und können von beiden Seiten gestellt werden, vom Lehrer und von der Klasse. Es ist empfehlenswert, daß "warum"-Fragen von Lehrern die Phrase "warum, denkst du..." mit einschließen sollten und daß sie sorgfältig, zum richtigen Zeitpunkt, ausgewählt werden sollten, so daß Kinder die notwendige Erfahrung haben, um sich ein Urteil zu bilden, das wirklich ihr eigenes ist.

Die "warum"-Fragen der Kinder zeigen dem Lehrer oft Probleme, die nicht alle beantwortet werden können und die nicht alle beantwortet werden sollten. Einige fragen nach Beziehungen, die Kinder diskutieren können; diese können in produktive Fragen umgewandelt werden. Die bis hierhin entwickelten Aspekte führen zu den folgenden Richtlinien:

Richtlinien für "produktive" Fragen nach unten

Richtlinien für "warum-" und "wie"- Fragen nach oben