Essentials Entdeckenden Lernens
Grundannahmen
Fragen entstehen lassen
Fragen nachgehen
Die Komplexität des Wissens
Die Rolle der Lehrenden
Methode
Grundannahmen
Lernen wird als aktive Konstruktion von Erkenntnis durch
die Lernenden betrachtet, es geht um wirkliches Verstehen von Sachverhalten
und Zusammenhängen,
um Lernen, das Sinn macht, und nicht um die Speicherung von Faktenwissen.
Die
Auseinandersetzung zwischen Lernenden und Lehrenden ist dialogisch,
entwickelnd und unterstützend; die Unterschiedlichkeit der Kinder
kann in ihrer Vielfalt gewürdigt werden, ohne die einzelnen
in ihrem Leistungswunsch und –vermögen zu behindern.
Der Austausch
in der Lerngruppe trägt zum gemeinsamen Erkenntnisfortschritt
bei und macht es möglich, persönlich erworbenes Wissen
in allgemeine Zusammenhänge einzuordnen und das eigene Lernen
nach Qualität
und Quantität zu beurteilen.

Fragen
entstehen lassen
Entdeckendes Lernen beginnt damit,
dass etwas fraglich wird. Sich wundern, staunen, irritiert sein, provoziert
werden, mit Zweifeln konfrontiert
sein - all dies kann neues Lernen nach sich ziehen, wenn die Lernumgebung
es fördert.
Dass Lernende hierbei vielfältige “naive” Vorstellungen
mit sich bringen und die Welt mit Alltagstheorien erklären, die
sie nur ungern aufgeben, sollten Lehrende akzeptieren und zum Ausgangspunkt
des Lernens machen. Es ist für alle spannender und für den
Lernerfolg wirksamer, aktiv Wege zu ersinnen, um unzureichende Erklärungen
in gute zu verwandeln, als die richtigen Merksätze auswendig lernen
zu lassen.
Weil Alltagstheorien meist auch dann erhalten bleiben,
wenn sie durch neues Faktenwissen überlagert werden, liegt hier eine
besondere Herausforderung für Lehrerinnen und Lehrer, sich mit geeigneten
Wegen der Lernförderung auseinanderzusetzen.

Fragen
nachgehen
Entdeckende Lernprozesse unterscheiden
sich fundamental von allem, was die Schule in der Regel über Lernen
als effektives Speichern von geordnetem, “richtigem” Wissen
annimmt. Im Einklang mit der aktuellen Lernforschung wird davon ausgegangen,
dass unser Wissen
assoziativ, komplex und verbunden mit persönlichen Erfahrungen
in konzeptuellen Netzen gespeichert ist, und dass durch lernende Aktivitäten
neue Erkenntnisse in dieses Netz eingewoben und mit dem vorhandenen
Wissen verknüpft werden.
Deshalb ist es wichtig, die vorhandene
Denkstruktur allmählich ins Bewusstsein zu rücken - durch
konzeptuelle Landkarten und andere kreative Methoden, durch Fördern
von Erinnerungen und durch Äußern von Vermutungen und Voraussagen
zur eigenen Arbeit.
Besonders, wenn Entdeckendes Lernen anfängt,
ist eine “Wuselphase” nötig,
in der alle möglichen Ideen ausprobiert und wieder verworfen werden.
Hieraus schälen sich allmählich einzelne Fragenkomplexe heraus, über
die man Neues herausfinden möchte. Der Mut, sich auf eine entsprechende
Untersuchung einzulassen, wird sehr gestärkt, wenn man eine Idee
hat, wie man dabei vorgehen kann, und wenn einem Lehrerin oder Lehrer
vermitteln, dass man nicht völlig auf dem Holzweg ist.
Während der Arbeit ist es immer wieder angebracht, die neu entstandenen
Erkenntnisse zu sichten und zu ordnen und mit anderen darüber zu
reden.
Dokumentation und Präsentation der (vorläufigen) Ergebnisse
sind Verarbeitungsformen, die die konkret untersuchenden Handlungen in
Symbolstrukturen fassen helfen (Sprache, Zahlen, Schaubilder, Theaterstücke,
Geschichten), die wiederum die Verankerung der neuen Erkenntnisse im
Denken unterstützen.
Entdeckendes Lernen erfordert für alle
diese Tätigkeiten Zeit
und die Möglichkeit, viele verschiedene Wege auszuprobieren.

Die
Komplexität des Wissens
Beim Entdeckenden Lernen
kommt es darauf an, nicht einen vorgegebenen, bereits didaktisch reduzierten
Stoff abzudecken, sondern
die Komplexität
des Wissens zu enthüllen, sie aufzudecken. Dies gelingt dann,
wenn man möglichst viele persönliche Zugänge zu einem
Thema hat und seine Fragen in der Wirklichkeit findet.
Dabei kann es
natürlich auch weiterhin zu Fehldeutungen kommen, doch zeigen
unsere Erfahrungen, dass die konkreten Gegenstände, mit denen
Kinder sich beschäftigen, sozusagen von sich aus “richtig
antworten”, wenn man sich sorgfältig mit ihnen beschäftigt
und aufkommende Zweifel zum Anlass nimmt, noch einmal neu nachzudenken.

Die
Rolle der Lehrenden
Dafür zu sorgen, dass kindliche
Entdeckungsprozesse nicht in die Irre gehen, ist eine der Aufgaben der
erwachsenen Pädagoginnen und
Pädagogen. Sie können Situationen schaffen, in denen Kinder
sich über etwas wundern und beginnen, Fragen zu stellen, sie sollten
aber vor allem sorgfältig hinhören und zu verstehen versuchen,
wie Kinder sich die Welt erklären, um sie durch aufkommende Irritationen
hindurch verständnisvoll zu begleiten.

Methode
Entdeckendes Lernen braucht Methode.
Es findet nicht schon dann statt, wenn man sich als Lehrerin oder Lehrer
mit den Kinder gemeinsam auf die Fragen an die Welt einlässt und
abwartet, was passiert. Wie jede andere Form der Unterrichtsgestaltung
ist Entdeckendes Lernen eine Kunst, die es zu erlernen gilt.

Auszug aus:
Karin Ernst:
Eine Lernwerkstatt entsteht immer wieder neu...
Zur Geschichte und Konzeption von Lernwerkstätten in Deutschland.
In: Ute Zocher (Hrsg.): Lernwerkstätten in Theorie und Praxis. Beltz
2004 (noch nicht erschienen)
© Karin Ernst 2003
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