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Entdeckendes Lernen e.V.

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Wilfried Meyer-Schlegel, Schule am Halmerweg, Lernwerkstatt Bremen

Nach zwei Jahrzehnten Tätigkeit im Sekundarbereich I und in der Grundschule sowie nach zehn Jahren Arbeit in der Lernwerkstatt stellen sich mir einige Fragen nach den Aufgaben von Schule heute anders und neu.

Weder die Organisation von Schule, noch die dort gelehrten Inhalte oder deren Vermittlungsformen, geschweige denn die Ausbildung der Lehrer entsprechen den heutigen Anforderungen gesellschaftlicher Entwicklung. Diese ist durch eine Fülle von Wissen, mit einer immer kürzeren "Halbwertszeit" sowie durch grundlegende Veränderungen von Kindheit und Jugend gekennzeichnet. Hier liegt ein Widerspruch, der für mich in den letzten Jahren immer spürbarer geworden ist: Das Lernen in der Schule hat mit dem lebenslangen Lernen und mit dem realen Leben immer weniger zu tun.

Gleichzeitig werden die Erwartungen und Ansprüche an die Schule immer größer. Kinder und Lehrer sollen immer mehr leisten - bei gleichbleibenden oder schlechter werdenden Rahmenbedingungen. Hierauf bin ich als Lehrer nicht vorbereitet und auch die offiziellen Fortbildungsangebote sind in diesem Zusammenhang nicht besonders hilfreich. Speziell in Bremen kommt noch dazu, dass in den letzten Jahren sehr wenige junge Lehrer eingestellt worden sind.

Schule und Lernen müssen sich verändern? Aber wie? Wie wird heute gelernt? Wie sollte heute gelernt werden? Welche Inhalte und Anforderungen sind sinnvoll?

In meiner Klasse, einer 3. Grundschulklasse, hatte und habe ich eine sehr bunte Palette an Leistungsmöglichkeiten, Fertigkeiten und Fähigkeiten der Kinder. Organisatorisches und der Umgang mit den vielen verschiedenen Bedürfnissen, lassen einen großen Teil der "Lernzeit" schmelzen. Wo bleibt da das eigentliche Lernen? Oder wie kann dieses trotzdem stattfinden?

Wie findet eigentlich lernen überhaupt statt?

Ich bin inzwischen zu der Erkenntnis gelangt, dass Lernen ein individueller Prozeß ist, bei dem Einzelteile und -Erkenntnisse miteinander verbunden werden. Einzelne Lernschritte sind mit unterschiedlichen Begriffen , Situationen, Erfahrungen und Kontexten verbunden, so dass ein individuelles Netzwerk bei jedem Einzelnen entsteht, das ein Leben lang erweitert werden kann. Viele dieser Vernetzungen, glaube ich, sind nicht von außen zu steuern, sondern laufen automatisch ab. Jeder von uns hat einen ganz individuellen Zugang zum Lernstoff und nicht alles ist zur gleichen Zeit für alle gleich bedeutsam. Erreiche ich mit meinem Angebot in der Schule einen großen Teil der Klasse oder aber eher einen kleineren Teil?

Ich möchte Kindern den Zugang zum Lernstoff erleichtern. Dabei taucht natürlich die Frage auf, ob ich überhaupt heute noch in der Lage bin zu entscheiden, welcher Stoff vermittelt werden sollte. Die heute gültigen Lehrpläne lassen zwangsläufig einen erheblichen Handlungsspielraum, weil niemand in der Lage ist, genau und begründet festzulegen, was gelernt werden muss.

Die Kinder sollen ihren eigenen Lernweg kennenlernen, entdeckend lernen und ich möchte sie kompetenter als bisher dabei unterstützen. D.h., ich müsste meinen Unterricht noch offener gestalten, merke aber, dass ich damit oft überfordert bin. Entdeckendes Lernen würde auch schwächeren Kindern den Zugang zum Lernen erleichtern und nicht nur eine "Elite" fördern - womit auch ein sozialer Gedanke in der Schule verankert wäre.

Von der Europäischen Vereinigung zum Entdeckenden Lernen wünsche ich mir den Austausch darüber, was Entdeckendes Lernen eigentlich sein kann und wie ich es im Schulalltag entfalten kann - ohne dabei in die Ecke des Utopisten gedrängt zu werden.

Politisch hat es sicherlich auch etwas mit der Fortführung der Schulreform im Interesse des Kindes zu tun, denn das Gegenteil scheint mir der Fall: Die offizielle Politik reglementiert wieder mehr und mehr den Schulalltag, schafft zum Teil unerträgliche Rahmenbedingungen, möchte gern international vergleichbar und gut sein, will wieder mehr Noten und Kopfnoten einführen und bremst damit den Reformprozess der Grundschule nachhaltig.

In einem Zusammenschluss von Menschen, die die Möglichkeiten Entdeckenden Lernens sehen und so wie ich, auch schon erste Erfahrungen sammeln konnten, sehe ich eine große Chance, sich gewinnbringend über die oben genannten Fragen auszutauschen. Ich sehe darin ein Forum zur Diskussion und auch zur konkreten Weiterentwicklung und Lösung meiner Fragen. Dies bleibe nicht ohne Auswirkungen auf meinen Schulalltag: Vielleicht könnte es gelingen, das eigentliche Lernen mehr in den Mittelpunkt von Schule zu stellen.

Auch in den Lernwerkstätten würde dadurch die Diskussion pädagogischer Fragestellungen wieder neu eröffnet, was die Profilbildung dieser Institutionen unterstützen könnte.

Aus all diesen genannten Gründen bin ich für einen Zusammschluss von Menschen, die sich vom Entdeckenden Lernen angezogen fühlen.